Das Kolonialinstitut

Wir sind nicht der Kolonialherr. Wir sind der Löwe. Wir, das heißt: Du und ich. Wir sind der Marulabaum. Wir sind der Kautschuktropfen, der aus der Wunde tropft. Wir sind die Flaschenpost. Ich bin nicht die Stimme des Regisseurs. Ich habe sie ihm weggenommen. Sie gehört jetzt mir. Ich glaube, er fängt langsam an, mir zuzuhören.

Sommer 1914. Der Kameruner Paul Messi landet in Hamburg an, um als Sprachgehilfe am Hamburgischen Kolonialinstitut zu arbeiten. Doch der Sommer 1914 ist kein guter Zeitpunkt für einen Forschungsaufenthalt in Deutschland. Der Beginn des Weltkrieges verwehrt Messi die baldige Rückkehr nach Kamerun. Die Gebäude sind leer. Die Studenten, die Mitarbeiter wurden eingezogen in einen großen, seltsamen Krieg.

Erst kurz zuvor war das Kolonialinstitut in Hamburg gegründet worden. Zur Ausbildung von Kolonialbeamten, wie man sagte. Um Völkermorde und Massaker zu verhindern. Um den Kolonialismus auf eine "wissenschaftliche Basis" zu stellen. Dabei hatten Kolonialismus und Wissenschaft schon lange eine enge Verbindung eingegangen, waren über Jahrzehnte hinweg kaum ohne einander denkbar. Das Sammeln und Beobachten, Registrieren, Kartografieren, Ordnen und Hierarchisieren der Wissenschaft war eben immer auch Herrschaftstechnik, ohne die der Kolonialismus nie seine Macht hätte ausüben können. Gleichzeitig war auch die Wissenschaft auf den Kolonialismus angewiesen, der den Wissenschaftlern eine Welt erschloss, die ihnen vorher so nicht zugänglich gewesen war.

Doch die europäische Wissenschaft war kein rein weißes Projekt. Überall griffen die Forscher auch auf Experten vor Ort zurück, deren Wissen übernommen, deren Beteiligung jedoch verschleiert wurde.

In fünf Kapiteln durchzieht der Film die Archive und Sammlungen der Universität, ihre Gewächshäuser und Labore, um die Spuren des Kolonialismus in ihr zu finden, aber auch die Stimmen, die die Wissenschaft zum Verstummen gebracht hat. Er geht auf Expedition nach Zentralafrika, liest die Briefe eines afrikanischen Sprachgehilfen und sucht einen Schädel, den er nicht sehen darf.

Cast

Matthias Glaubrecht
Centrum für Naturkunde, Universität Hamburg
Gabriele Kranz
Loki Schmidt Haus, Universität Hamburg
Nashilongweshipwe Mushaandja
Künstler, Namibia
Vitjitua Ndjjiharine
Künstlerin, Namibia
Philipp Osten
Medizinhistorisches Museum, Universität Hamburg
Kim Sebastian Todzi
Forschungsstelle Hamburgs Post-/Koloniales Erbe, Universität Hamburg

Crew

Daniel Kulle
Regie
Stella Jürgensen
Sprecherin
Michel Amana
Zusätzlicher Sprecher
Jana Stüven
Zusätzliche Kamera
Alica Herzog
Tonassistenz
Karsten Wiesel
Schnittberatung
Thomas Weber
Co-Produktion

Festivals

28.9.2019
Filmfest Hamburg
30.10.2019
Nordische Filmtage Lübeck
20.11.2019
Out of Africa Filmfest , Nairobi, Kenia
25.10.2020
Fluctoplasma Festival , Hamburg
19.3.2021
I_Represent International Documentary Film Festival , Lagos, Nigeria
5.11.2021
Augenblicke Afrika , Hamburg
23.9.2022 — 25.9.2022
Taiwan International Human Rights Film Festival , Taipei, Taiwan

 

Kann ein Film dem eigenen Macher widersprechen - also im Grunde sich selbst? Daran versucht sich Daniel Kulle in seinem Essayfilm "Das Kolonialinstitut" […], der sich mit dem problematischen Erbe einer Stadt wie Hamburg befasst […] Eine Gegenposition hat Kulle mit einer weiblichen Erzählerstimme eingebaut. […] "Der Filmemacher" sei "naiv" und "verwirrt", sagt also diese Stimme - aber eben diese Texte hat natürlich Kulle selbst verfasst.
Wilfried Hippen, taz 2019
Die Erzählweise des Films bricht mit dem hegemonialen Narrativ des Kolonisators und dem Authentizitätsmythos des Dokumentarfilms: Sie zeigt uns ein Buch mit vielen unbeschriebenen weißen Seiten bzw. verschwommenen Textseiten, die neu entziffert werden müssen und zu Selbstbefragungen auffordern. Und aus Schrift und den Bildern sehen/sprechen uns die Menschen direkt an.
Ilsemargret Luttmann, Anthropos 116.2021

Presse

Hamburger Wirklichkeit. Wilfried Hippen, taz, S. 43, 26.9.2019
Hand in Hand. Fabian Lehman, junge welt, S. 10, 10.12.2019
Das Kolonialinstitut. Julia Mummenhoff. Lerchenfeld 51, 51-52, 1.12.2019
Postkoloniale Erinnerung mit filmischen Mitteln. Der Essayfilm Das Kolonialinstitut (2018) von Daniel Kulle. Ilsemargret Luttmann, Anthropos 116.2021, 202-207
Deutschland 2019
89min. DCP, 1:2.35
Deutsch, Englisch, Ewondo
Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch
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Das Kolonialinstitut
2019